Ich erinnere mich noch ganz genau. Das erste Mal als jemand mich in der Schweiz ernsthaft anschaute. Währenddessen stellt er sicher, dass sonst kein Mensch in der Nähe war, um mir nach einem Interview zu sagen:

“Frau Omondi, jetzt muss ich Ihnen etwas sagen…”

Während ich ein „Oh-Gott-Was-Habe-Ich-Falsch-Gemacht-Miene“ innerlich machte und überlegte, was er unbedingt loslassen will, redete er nach einer kurzen Pause weiter:

„Sie sind ein Juwel“.

Bei dieser Ernsthaftigkeit musste ich wirklich überlegen, ob das deutsche Wort JUWEL etwas Positives ist oder nicht.

Erleichtert atmete ich auf und erwiderte diesen Satz mit einem Lächeln. Gleichzeitig bewunderte ich, wie ernsthaft mein Gesprächspartner ein Kompliment rüberbringt. So etwas hatte ich bis anhin nicht erlebt.

Ich hatte den Job:-), falls du dich fragst, wie es ausgegangen ist.

Jahre später, sagte auch jemand zu mir „Susan, jetzt muss ich dir etwas sagen“… Wieder war ich gespannt, und fragte mich auch – du erahnst es: „Was habe ich nur falsch gemacht…?“

Kollege: „Endlich jemand, der von Tür zu Tür geht und „Guten Morgen“ sagt.“

Das war etwas Positives, stellte sich heraus…Puh:-)

Neulich an einem Audittag sagte eine Auditierte Person in der Mittagspause zu mir:

„Frau Omondi, jetzt muss ich Ihnen was etwas sagen“ …

Und ja, ich hatte vergessen, dass dieser Satzanfang positiv sein könnte und spürte eine leichte Anspannung in mir. Gespannt legte ich meine Gabel behutsam hin und schaute sie an:

“Sie stellen unglaublich scharfsinnige Fragen (…). Ihre Fragen bringen uns auf jeden Fall weiter.”

Was bleibt mir nichts anderes übrig, als mich sehr zu bedanken…. und

📍 wieder mal zu lernen nicht für andere zu denken. Denn „Jetzt muss ich Ihnen etwas sagen“ kann auch positiv sein.

📍 anzuerkennen – wie Thomas Küng in seinem Buch „Gebrauchsanweisung für die Schweiz“ sagt: „Schweizer sind im Grunde freundliche Menschen, wenn man sie nur lässt. Wie die Deutschen.“

Wahrscheinlich wie die meisten Menschen auf dieser Welt.

📍 erneut eine Bestätigung zu bekommen, dass der erste Eindruck NICHT zählt. Wahrhaftige Begegnungen und Verbindungen benötigen Geduld – von beiden Seiten.

So durfte ich vielen Menschen in der Schweiz begegnen und schätzen, die sich viel Zeit ließen, um mir etwas zu sagen.

Heute muss ich euch etwas sagen, liebe Community:

Herzlichen Dank für eure Begleitung und für euer Engagement. Ihr seid großartig.

Jetzt zu dir: wem „musst“ du heute etwas sagen?

Susan Omondi

30.01.2022