Eine Kollegin, wir nennen sie hier Lavenda, beklagte sich vor einigen Jahren über die Entscheidungen in der Politik. Sie erwähnt nachvollzielbare Beispiele, wo sie anders entscheiden würde.

Ich erkannte in ihren Erzählungen, wie viel ihr das Ganze bedeutet und was sie bewegt.

Lavenda, ca. 10 Jahre älter als ich, ist in Deutschland zugewandert und fühlt sich als Teil der Gemeinschaft. Ihr Sohn und ihre Tochter sind hier geboren und mittlerweile Erwachsene.

Ich frage sie direkt, nachdem ich ihr zugehört habe: „Und hast du am Sonntag
gewählt?“, denn wir haben uns kurz nach dem Wahltag ausgetauscht.

Lavenda: „Ah nein, meine Kinder haben gewählt.“

„Darfst du wählen?“ Frage ich, nur, um sicherzugehen. Lavenda sagt: „Ja, aber…“

Ich fragte sie auch, warum sie ihre Rechte nicht wahrnimmt, um selbst mitzugestalten. Am Ende sagt sie: „Das ist ein guter Punkt, Susan.“

Es gibt sie, die Lavendas, denen es nicht bewusst ist, dass sie auch einiges beeinflussen können. Und daher bin ich immer dankbar, wenn wir Gespräche zulassen und uns gegenseitig ermutigen bzw. wenn wir bereit sind, die andere Seite der Geschichte zu erfahren. Es war Lavenda nicht bewusst, wie ihre „Beschwerde“ ankam.

Wenn ich nicht mal meine Rechte wahrnehme, welche Grundlage habe ich, um mich zu beschweren? – Frage ich mich immer wieder.

Ich möchte mit dieser Post insbesondere Menschen mit Migrationsgeschichten
ermutigen, wählen zu gehen – ob du bereits „daheim“ bist oder nicht. Gemäß
inSi e. V. : „In Singen besitzen ca. 52 % der Einwohner*innen einen Migrationshintergrund.“ Wenn „nur“ jede Dritte davon wahlberechtigt ist,
erhöhen wir insgesamt die Wahlbeteiligungsquote.

Der Weg bis zum deutschen Pass ist ein komplexer Prozess, nicht nur aufgrund
zahlreicher Nachweise und Behördengänge, sondern vor allem, weil emotionale
Entscheidungen damit verbunden sind.

Für diejenigen, die früher als Voraussetzung ihre erste Staatsangehörigkeit aufgaben, war dies noch eine Stufe komplexer. Für mich war die Entscheidung nicht leicht, wie ich auch in meinem hashtag#Buch schildere.

Umso wichtiger ist es, mein Wahlrecht auszuüben und nicht nur die Reisefreiheit mit dem schönen Pass zu genießen.

Denn Integration ist keine Einbahnstraße.

Übrigens: Dass dieser Pass hashtag#rot (bordeauxrot) ist, war ausnahmsweise kein Entscheidungskriterium:-)

Ich habe insgesamt heute 35 Stimmen. Wie cool ist das denn?

Und du, gehst du heute wählen?