
GRÜEZI
Juli 16, 2023
MUSS DAS SEIN?
Juli 30, 2023…Ich möchte sie verstehen.“
So eine 84-Jährige an meine Französischlehrerin.
Nennen wir diese 84-Jährige in dieser Story Luise.
Luise erklärte, warum sie mit 84 eine neue Sprache lernt.
Luise hat eine neue Frau um sie, die noch kein Deutsch spricht. Luise möchte diese Frau verstehen und entschied sich Französisch zu lernen, denn diese neue Frau kann Französisch als Zweitsprache.
Wie mächtig und berührend dieser Beweggrund für mich war. Ich dachte an meinen kommenden Vortrag zum Thema: „Brücken bauen anstatt Mauern“.
Ich lausche der Erzählung meiner Französischlehrerin mit Respekt, Freude und doch Tränen in den Augen.
So einfach kann es sein. Luise möchte andere verstehen, deshalb lernt sie mit 84 eine neue Sprache. Sie investiert Zeit und Geld, um jemanden wahrhaftig zu verstehen, denn um ihre Karriere geht es nicht mehr.
Meine Lehrerin erzählt weiterhin von einem anderen 90-jährigen, der auch mal regelmäßig zu ihr kam, um Französisch zu lernen.
Mache ich auch den ersten Schritt, um andere zu verstehen, oder genügt es, wenn »Neu ankommende« sich uns beugen, um unsere Sprache zu lernen?
Bin ich bereit, andere zu verstehen? Oder sage ich: „Ich werde dich nie verstehen“. Das Problem mit solchen Aussagen: sie werden selbst erfüllt.
Wenn ich jedoch, wie Luise es uns vormacht, jemanden wirklich verstehen möchte, dann werden wir uns verstehen, auch wenn die Sprache noch nicht „ausreichend“ ist.
Ich kenne Luise nicht, aber sie berührt mich zutiefst.
Wie kann ich also in meinem Alter sagen, dass Französisch zu kompliziert ist?
Ich lasse es zu, dass Luise mich herausfordert.
Nicht nur meine Einstellung gegenüber dieser für mich neuen Sprache stelle ich infrage, sondern ob ich wahrhaftig auch andere, mit oder ohne neuen Sprache, verstehen möchte. Um Brücke zu bauen, anstatt Mauern.
Verstehen ist ein Verb, ein TUN-Wort. So wie LIEBE, wie Stephen R. Covey bereits in seinem Buch „The 7 Habits of Highly Effective People“ festhielt.
Er sprach dabei zu jemandem, der sich beschwerte, dass die eheliche Liebe erlöschen ist, dass er und seine Frau sich nicht mehr gegenseitig lieben.
Hier ein Ausschnitt, frei übersetzt:
„Mein Freund, Liebe ist ein Verb. Die Liebe – das Gefühl – ist eine Frucht der Liebe, des Verbs.
Also liebe sie. Diene ihr. […]. Höre ihr zu. Fühle mit. Schätze sie.
Bestätige sie. Bist du bereit, das zu tun?“
Das kann ich auch auf VERSTEHEN anwenden. Diese Erinnerung wirkt magisch:
Verstehen ist ein Tun Wort, und DAS VERSTEHEN, das Substantiv, ist das Resultat von „verstehen“, des Verbs.
Also frage ich mich selbst, bin ich mit meinen möglichen Mitteln bereit, andere Menschen, aus anderen Kulturen oder die einfach anders sind als ich, zu verstehen, wie es Luise tut?
Bist du bereit, andere zu verstehen, um Brücken zu bauen?
Und würdest du mit 84 oder mit 90 eine neue Sprache lernen?