„STIMMT, WIR ZWEI IN DER KÜCHE, DAS GEHT GAR NICHT“
September 14, 2022„ALSO MAMA, WENN DIE FLAMINGOS AUFGRUND IHRER NAHRUNG…“
Oktober 13, 2022Sagte mir mein Mann (damals mein Verlobter) vor vielen vielen Jahren, als ich zum ersten Mal bei unserer Städtetour in Hamburg meine Brille anhatte.
Hier ist die kurze Anekdote, wie ich zur Brille kam:
Ich erinnere mich noch ganz genau. Vor vielen Jahren schauten mein Mann und ich eine Haushaltsexceltabelle auf einer Beamerprojektion an.
Im Abstand von etwa vier Metern konnte er alles super sehen.
Ich hingegen musste viele Fragen stellen. Ab und zu stand ich auf und ging näher ran, um die Tabelle besser lesen zu können.
Er sagte an diesem Tag: „Vielleicht solltest du einen Sehtest machen.“
Dies nicht wahrhaben wollend, sagte ich: „Wozu? Ich sehe doch.“
„Eingeschränkte Sehkraft? Nein, bei mir doch nicht“, dachte ich an diesem Tag.
Als er darauf bestand, willigte ich ein und sagte dann: „Wenn eine Brille nötig sein sollte, zahlst du?“ – Damit wollte ich testen, wie ernst er das meinte.
Er sagte: „Einverstanden.“ Das hat mich natürlich sehr berührt, weil er sich wirklich Sorgen machte.
Der Test bestätigte seine Vermutung und so bekam ich eine Brille, und siehe da, die Exceltabelle war kein Thema mehr.
Tage später fuhren wir nach Hamburg und ich nahm die Brille mit, um die Sehenswürdigkeiten auch aus der Ferne bewundern zu können.
Ich merkte, wie scharf und „unnatürlich“ alles aus meiner Sicht war. Ich sagte laut:
„Wow, ist das scharf. Ist das echt?“ Dabei zeigte ich auf Firmenlogos auf hohen Gebäuden.
Daraufhin erwiderte mein Mann gelassen: „Tja, willkommen im Leben. Das Leben ist scharf.“
Seitdem begleiten mich die Worte meines Mannes auch im Umgang mit meinen Mitmenschen.
Das Leben ist scharf, ich habe diese Schönheit nur nicht ganz gesehen.
Ich lernte:
📍Meine Sicht der Dinge ist nicht entscheidend, vor allem, wenn meine Sehschärfe eingeschränkt ist. Ich darf deshalb meine Brille hin und wieder schärfer einstellen.
📍Etwas mit Abstand zu betrachten, schafft eine andere Perspektive für meine Herausforderungen, auch im Umgang mit Vielfalt.
📍Etwas nicht wahrhaben zu wollen, bremst mich, die Edelsteine in mir und in anderen zu entdecken.
Ich wollte es zunächst nicht wahrhaben, dass ich eine Brille benötige.
Es ist bestimmt auch nichts anderes, wenn es um Denkweisen geht. „Ich doch nicht, ich habe doch keine Vorurteile“.
Doch genau das zu erkennen schafft einen bewussten Umgang mit mir selbst und mit anderen.
Wir vermeiden dadurch eine einseitige Betrachtung und einseitige Storys.
Das führt dazu, dass wir nicht zu schnell verallgemeinern und nicht zu schnell beurteilen.
Trägst du eine Brille? Wie war es, kurz bevor du dir eine Brille angeschafft hast?
Ist es nicht wunderbar, die Möglichkeiten nach einer „Seheinschränkung“ – auch im übertragenen Sinne – zu entdecken?